Wer mit dem nahenden Sterben konfrontiert wird, hat verständlicherweise Angst. Sich der eigenen Endlichkeit bewusst zu werden, ist nicht angenehm. Oft sind mit einer schweren Erkrankung leider auch körperliche Schmerzen und die Sorge vor einer Abhängigkeit von anderen Menschen verbunden. Also die Befürchtung, nicht mehr selbstbestimmt agieren zu können und nicht alles ordentlich geregelt zu haben. Oft sind die betroffenen Personen mit der nicht zu unterschätzenden Bürokratie überfordert und entsteht auch ein Zeitdruck. Sterbende, diese Hilfe leistende Personen und Angehörige brauchen gerade in dieser schwierigen Lebensphase absolute Rechtssicherheit, eine verlässliche und richtige rechtliche Beratung in allen Belangen und vor allem keine zusätzlichen Belastungen, die etwa mit der Suche nach den nach dem Sterbeverfügungsgesetz zwingend beizuziehenden und dazu auch bereitwilligen Notar:innen und zwei Ärzt:innen (einer davon im Fach der Palliativmedizin) verbunden sind. Dies neben einer Hospizbetreuung und Palliativversorgung.
Mit dem seit 1.1.2022 in Kraft getretenen Sterbeverfügungsgesetz wurde der assistierte Suizid erlaubt, wenn es sich um schwer oder unheilbar Kranke handelt, die volljährig und entscheidungsfähig sind (dazu sogleich). Im Vordergrund stehen immer die Achtung der Menschenwürde und der Respekt vor dem Leben und der freien Entscheidung von schwerkranken Menschen, die Grundlage für die Umsetzung des Sterbeverfügungsgesetzes und des von unserer Bundesregierung laufend verfolgten Ausbaus der Hospiz- und Palliativversorgung sind.
Im Hinblick darauf, dass die im Gesetz vorgeschriebenen Voraussetzungen für die Gültigkeit der Sterbeverfügung relativ streng sind, die betroffenen Personen hier häufig Schwierigkeiten haben und in zeitlicher und rechtlicher Hinsicht überfordert sind, haben wir uns entschieden, die Betroffenen (auch) auf diesem Rechtsgebiet rechtlich zu beraten und unter Beiziehung von mit uns kooperierenden Personen (Notaren/Ärzten) begleitend zu unterstützen.
Wer kann grundsätzlich eine Sterbeverfügung errichten?
Die sterbewillige Person muss volljährig sein – Minderjährige können also keine Sterbeverfügung errichten. Überdies muss bei dieser Person die Entscheidungsfähigkeit zweifelsfrei vorliegen (sie muss also die Bedeutung und die Folgen ihrer Entscheidung verstehen und dementsprechend handeln können). Zudem muss sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich haben oder die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen.
Welcher Krankheitszustand hat für eine Sterbeverfügung vorzuliegen?
Eine Sterbeverfügung kann nur eine sterbewillige Person errichten, die an einer unheilbaren, zum Tod führenden Krankheit oder an einer schweren, dauerhaften Krankheit mit anhaltenden Symptomen leidet, deren Folgen die gesamte Lebensführung negativ beeinflussen. Darüber hinaus muss die Krankheit einen Leidenszustand mit sich bringen, der sich nicht abwenden lässt. Dass ein solcher Leidenszustand vorliegt, ist von den beizuziehenden aufklärenden ärztlichen Personen schriftlich zu bestätigen.
Wie ist bei der Errichtung einer Sterbeverfügung vorzugehen?
Das Gesetz sieht hier einen klaren Prozess vor. Bei diesem ist ein dauerhafter, freier und selbstbestimmter Willensentschluss der sterbewilligen Person sicherzustellen. Im Mittepunkt steht dabei die ärztliche Aufklärung. Denn nur wer hier von den involvierten Ärzt:innen umfassend aufgeklärt wurde und die Konsequenzen sowie Alternativen kennt und sich dieser bewusst ist, kann einen freien und selbstbestimmten Willensentschluss fassen.
Kurz skizziert sieht der Errichtungsprozess für eine Sterbeverfügung wie folgt aus:
- Zunächst hat eine umfassende Aufklärung durch zwei ärztliche Personen stattzufinden (wovon zumindest eine eine palliativmedizinische Qualifikation haben muss), die darüber in der Praxis einen schriftlichen Befund und Gutachten ausfertigen.
- Darin bestätigen die ärztlichen Personen unabhängig voneinander, insbesondere die Krankheit und Entscheidungsfähigkeit der sterbewilligen Person.
- Wenn auch nur einer von ihnen an der Entscheidungsfähigkeit zweifelt, muss die Entscheidungsfähigkeit extra durch eine/n Psychiater:in oder Psychologen/Psychologin nochmals beurteilt werden.
- Um die Dauerhaftigkeit des Entschlusses des sterbewilligen sicherzustellen, muss sodann grundsätzlich eine Frist von 12 Wochen – gerechnet von der ersten ärztlichen Aufklärung an – eingehalten werden, bevor eine Sterbeverfügung errichtet werden kann.
- Nur bei Personen in der terminalen Phase, die also nur mehr eine sehr geringe Zeit (z.B. wenige Wochen) zu leben haben, kann eine stark verkürzte Frist von zwei Wochen zur Anwendung gelangen.
- Erst nach dem Fristablauf kann die Sterbeverfügung vor einem/r Notar:in oder einem Patientenanwalt/Patientenanwältin errichtet werden.
- Die Sterbeverfügung ist höchstpersönlich und schriftlich zu errichten.
- Es können eine oder mehrere Hilfe leistende Personen in der Sterbeverfügung angegeben werden, welche die sterbewillige Person bei der Durchführung der lebensbeendenden Maßnahmen unterstützen. Die Hilfe leistenden Personen müssen volljährig und entscheidungsfähig sein.
- Schlussendlich wird die Sterbeverfügung in einem eigens geschaffenen Register eingetragen.
- Das Original der Sterbeverfügung erhält die sterbewillige Person ausgehändigt.
- ACHTUNG: Eine Sterbeverfügung verliert nach einem Jahr ihre Wirksamkeit.
Was ist dabei besonders zu beachten?
Es ist der Entschluss der sterbewilligen Person festzuhalten, ihr Leben selbst zu beenden. Dieser Entschluss muss frei und selbstbestimmt sein. Also insbesondere frei von Irrtum, List, Täuschung, physischem oder psychischem Zwang und Beeinflussung durch Dritte.
Es besteht auch die Möglichkeit eine oder mehrere Hilfe leistende Personen in der Sterbeverfügung anzugeben.
Welche Details gilt es, bei der Errichtung einer Sterbeverfügung seitens der Notar:innen oder Patientenanwält:innen zu beachten?
Sie müssen vor der Errichtung der Sterbeverfügung der sterbewilligen Person nochmals die Dokumentation über die ärztliche Aufklärung wiedergeben. Zudem ist die sterbewillige Person insbesondere über rechtliche Aspekte, wie die mögliche Errichtung einer Patientenverfügung oder Vorsorgevollmacht, die Errichtung einer letztwilligen Verfügung, die strafrechtlichen Grenzen der Hilfeleistung und weitere Rechtsfolgen zu belehren.
Können bei der Errichtung einer Sterbeverfügung Fehler passieren?
Ja. Das Sterbeverfügungsgesetz sieht zwingende Wirksamkeitsvoraussetzungen vor. Diese müssen peinlichst genau beachtet und eingehalten werden. Wird auch nur gegen eine dieser Voraussetzungen, teilweise auch rein formelle Gebote verstoßen, zB wird die ärztliche Aufklärung nicht im gesetzlich vorgesehenen Umfang wahrgenommen – gleiches gilt für das notarielle Aufklärungsgespräch, im Rahmen dessen zB nochmals die gesamte Dokumentation über die ärztliche Aufklärung wiederzugeben und die sterbewillige Person gleich in mehreren Punkten zu belehren ist – so kann das weitreichende rechtliche Konsequenzen nicht nur für die aufklärende ärztliche Person und den/die Notar:in, sondern auch für die in der Sterbeverfügung angegebenen Hilfe leistenden (volljährigen und entscheidungsfähigen) Personen haben, welche die sterbewillige Person bei der Durchführung der lebensbeendenden Maßnahmen unterstützen.
Wozu berechtigt eine Sterbeverfügung?
Auf Grundlage der Sterbeverfügung erhält die sterbewillige Person ein letales Präparat bei einer Apotheke. Dieses Präparat kann sie dann in einem von ihr gewählten Rahmen zu sich nehmen. Wenn die sterbewillige Person etwa bettlägerig ist, kann das Präparat auch eine in der Sterbeverfügung genannte Hilfe leistende Person für sie abholen. Auch eine Zustellung durch die Apotheke ist möglich.
Wie wird die Freiwilligkeit aller Beteiligten im Rahmen der Errichtung einer Sterbeverfügung gewährleistet?
Hier bedient man sich der sog. Gewissensklausel. Diese stellt sicher, dass niemand verpflichtet ist, eine Hilfeleistung anzubieten oder durchzuführen oder sich an der Errichtung der Sterbeverfügung zu beteiligen. Umgekehrt darf aber auch niemand benachteiligt werden, der dies tut.
Sind die Apotheken verpflichtet, das Präparat abzugeben?
Wie schon erwähnt, ist niemand verpflichtet, eine Hilfeleistung zu erbringen und darf auch niemand deshalb benachteiligt werden. Dies gilt auch für Apotheker:innen. Die Abgabe des Präparats ist daher immer freiwillig. Umgekehrt ist sichergestellt, dass auch niemand wegen der Abgabe des Präparats benachteiligt wird. Insgesamt gilt ein Diskriminierungs- und Benachteiligungsverbot. Alle Hilfsmaßnahmen sind freiwillig.
Gibt es eine Art Register, in dem die Sterbeverfügungen aufgezeichnet werden?
Ja. Zur Dokumentation und Nachvollziehbarkeit hat das Gesundheitsressort ein elektronisches Sterbeverfügungsregister (StVReg) unter Zuhilfenahme von bereichsspezifischen Personenkennzeichen zu führen. Sämtliche angeführten Handlungsabläufe sind in diesem Register gespeichert. Die Zugriffe werden durchgängig protokolliert und mittels jährlich stattfindendem externem Audit überprüft. Das Register unterliegt den aktuell höchsten technischen Sicherheitsstandards. Sämtliche Daten sind verschlüsselt abgespeichert.
Genauere Informationen und Erläuterungen die Sterbeverfügung betreffend finden Sie unter Gesetzliche Grundlagen und Materialien.
Erstberatungsgespräch vereinbaren